Wenn das Jahr sich mit einem Lächeln verabschiedet
(Foto c) E. Gelzleichter
Einzeln
und frei wie ein Baum und brüderlich wie ein Wald, das ist unsere
Sehnsucht“.(Nazim Hikmet)
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Dieses
Rauschen der gefallenen Blätter unter den schlurfenden Füßen,
manchmal kraftvoll wie ein Wasserfall oder gleich einem Bach im wilden Lauf,
jeder Schritt wirbelt sie auf, diese Blätter in den vielfältigen
Farben und Formen – grob gezahnt, meistens abgerundet, wirbeln
Eichenblätter wie kleine Wolken, blass bis dunkelbaun gefärbt und
dazwischen – lose gestreut – das Gelb der Blätter von Birken in
Herzform - eiförmig die der Buchen oder bunte Ahorn“hände“. Und
dann, wenn ein Lindenblatt vor die Füße taumelt, schweift der Blick
zum Himmel, in die Kronen der Bäume. Sind die Äste schon alle
entblößt vom Sommerkleid? Recken sie schon ihre dunklen Skelette,
wie erstarrt im Gebet zu dem blassen Blau des Herbsthimmels?
Erstaunlich wie viel Buntes noch das Geäst ziert, tiefes Rot,
untermischt mit allen Tönen der Gelb-Palette. Dieses Jahr ist lange
Maler Herbst unterwegs. Immer noch duftet es nach dem Anis von Pilzen
und silbern tropft es im Moos.
Foto c) E. Gelzleichter |
Noch
ein paar Wochen, dann stehen sie da, dicht an dicht, die Bäume –
jeder eine Persönlichkeit, die sie - vollkommen entblößt und bar
jeden Blätterkleides - deutlich sichtbar offenbaren. Viele Blessuren
und Wundmale, Geschichten wie von Kriegen gegen die Natur und aus
ihr, Verletzungen von Stürmen, Frost und sengender Hitze verleihen
jedem Baum ein individuelles Aussehen, manches Mal schlank und rank,
vielfach verwunden und gedreht, brüderlich an einen anderen
angelehnt, Paare aus Laub- und Nadelbäumen. Oft scheint es, dass uns
ihre „Augen“ im Wald verfolgen. Sind wir ihnen ähnlich?
Vielleicht! Doch sie haben uns etwas voraus, wie die deutsche
Lyrikerin und Aphoristikerin Anke Maggauer-Kirsch treffend bemerkt:
„Bäume
haben etwas Wesentliches gelernt:
Nur
wer einen festen Stand hat
und
trotzdem beweglich ist,
überlebt
die starken Stürme!“
Foto c) E. Gelzleichter |
Man
sieht es, sie haben auch den letzten starken Stürmen getrotzt,
krallen in diesem November um so fester ihre Blätter, oft fast noch
im Sommergrün, sie lassen nicht los, wie auch der Wind sich erheben
und an ihnen zerren mag, haften sie ihre grün bemoosten Wurzeln fest
in die Erde, stark und aufrecht. Sicher - mancher der Uralten, musste
sich den Peitschen der Stürme beugen und brach, schon lange vorher
gestorben; denn Bäume sterben aufrecht. Doch selbst wenn sie fallen,
sind sie noch im Sterben schön; denn neues Leben erwächst aus ihrem
Verfall, die Kinder der Wälder streben aus ihren Lenden empor
zum Licht.
Foto c) E. Gelzleichter |
Selten
dürfen wir es erfahren, dass uns auch die Augen von Waldbewohnern
folgen, beobachten, dann wenn sie unsere Wege kreuzen, unverhofft –
wie eine Offenbarung, ein Reh, das den Sonnenaufgang am Wegesrand
verschlafen hat und nun aufschreckt. Oder ein riesiger Schwarzkittel,
der sich im Sumpf die borstige Schwarte pflegt und der Laubfrosch,
der sich versehentlich vom Baum auf den menschlichen Fuß fallen
lässt. Bilder, die uralte Sehnsüchte zeigen, Träume zu
verwirklichen scheinen: der Mensch und seine Mitgeschöpfe im
Einklang mit der Natur!
Foto c) Elke Gelzleichter |
Novembermorgen
in den Wäldern: Wie die verlorenen Schleier eines nächtlichen
Feentanzes hängen Nebelfetzen zwischen den Zweigen - der Wald
scheint zu verschwimmen, gleich einem grotesken Ballett kleiner
Geister wabert es auf den stillen Gewässern, lange Weidenzweige
baden sich in den kleinen windbewegten Wellen. Eine graue
geheimnisvolle Welt und doch, ein Lichtstrahl, der die Wolken
aufreißt, sich Bahn schafft bis hinein ins dunkelste Dickicht, ist
fähig in Windeseile die Waldeswelt in Bronze und Gold erstrahlen zu
lassen.
Foto c) E. Gelzleichter |
Dann
lächelt der Wald, und der November gewährt uns sein Lächeln für
die letzten Wochen des Jahres, bevor er sich verabschiedet, kraftvoll
mit einem Strauß kräftiger, herber Düfte wie von
Chrysanthemen.
Foto c) E. Gelzleichter
Fotos und Text: E. Gelzleichter
Nutzung eines Fotos nur mit Namensnennung
21.09.16
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